Interview mit Nicoletta Mariolini zur Schweizer Sprachenvielfalt

Am 30. November 2023 lanciert die Swissmint eine neue Sondermünze, die Goldmünze «Schweizer Sprachenvielfalt». Wir haben Frau Mariolini, der Delegierten des Bundes für Mehrsprachigkeit, 5 Fragen zur Schweizer Sprachenvielfalt gestellt.

Welche Aufgaben und Zielsetzungen verfolgen Sie als Delegierte des Bundes für Mehrsprachigkeit?
Da die Bundesverwaltung ein Mikrokosmos der Schweiz ist, muss sie in ihren eigenen Reihen eine angemessene Vertretung der Sprachgemeinschaften sicherstellen. Das sagen auch die Bundesverfassung und das Sprachengesetz (SpG). Diese werden durch die Sprachenverordnung (SpV) ergänzt, die für die Vertretung der Sprachgemeinschaften innerhalb der Bundesverwaltung Sollwerte festlegt. Um eine optimale gegenseitige Verständigung zu ermöglichen, haben diese gesetzlichen Grundlagen auch zum Ziel, die Sprachkenntnisse des Personals zu verbessern und ihm den Zugang zu Sprachausbildungen zu erleichtern.

Vor diesem Hintergrund wurde die strategische Stelle der bzw. des Delegierten des Bundes für Mehrsprachigkeit geschaffen. Der Auftrag dieses Amtes besteht darin, die Umsetzung der strategischen Ziele des Bundesrates bezüglich der Mehrsprachigkeit in Zusammenarbeit mit den Eidgenössischen Departementen, der Bundeskanzlei und dem Eidgenössischen Personalamt zu koordinieren und zu begleiten. Es handelt sich um eine Drehscheibenfunktion, die die politische Ebene mit der Bundesverwaltung verbindet.

 

«Kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit gehören zum ureigenen Wesen der Schweiz, und viele andere Länder beneiden uns mit Recht um unsere Sprachenvielfalt.»

Ist die Schweiz tatsächlich ein Musterland für Mehrsprachigkeit?
Kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit gehören zum ureigenen Wesen der Schweiz, und viele andere Länder beneiden uns mit Recht um unsere Sprachenvielfalt. Die Schweiz und die Schweizerinnen und Schweizer bilden eine Willensnation. In dieser Einheit in der Vielfalt und dem Willen, unsere Unterschiede zu überwinden und ein gutes Zusammenleben zu erreichen, liegt unsere Stärke. Damit die Chancengleichheit für die sprachlichen Minderheiten gewährleistet und somit die Mehrsprachigkeit gelebt wird, spielt der Wille und die Offenheit der sprachlichen Mehrheit eine wichtige Rolle. So können die Bedürfnisse aller berücksichtigt und gemeinsam immer wieder Massnahmen zur Förderung dieses wichtigen kulturellen Erbes umgesetzt werden.

Die neue Sondermünze zeigt auf der Vorder­seite 5 Schriftzüge, «Salut», «Grüezi», «Salve» und «Allegra» sowie «Varietad Linguistica». Diese werden durch vier markante Schweizer Sehenswürdigkeiten (pro Sprachregion eine) ergänzt. Auf der Rückseite findet sich Art. 70 der Bundesverfassung. Finden Sie das Münzdesign gelungen?
Ja, sehr! Auf den Punkt und gut verständlich zusammengefasst: Unsere Mehrsprachigkeit ist Gold wert!

 

«Unsere Mehrsprachigkeit
ist Gold wert!»

Machen die Anstrengungen, die Mehrsprachigkeit zu fördern, angesichts des Einzugs voll automatisierter Übersetzungstools und künstlicher Intelligenz noch Sinn?
Die Instrumente der maschinellen Übersetzung und die künstliche Intelligenz sind sicherlich nützlich, um unsere Sprachen – vor allem die Minderheitssprachen – lebendig zu gestalten. Es sollte jedoch klar sein, dass diese Instrumente nicht an die Stelle unserer Sprachgemeinschaften treten können. Die neuen Technologien dürfen und können kein Selbstzweck sein. Die Anliegen, die Kultur und die Sprachenrechte jeder Sprachgemeinschaft bleiben weiterhin unsere zentralen Themen, da der Ursprung und das Zentrum unserer Mehrsprachigkeit der Mensch ist, der seine Rechte ausüben können muss.

Am 22.08.2023 war auf SRF News die Schlagzeile «Vier Sprachen oder Englisch für alle?» zu lesen. Was hat diese Schlagzeile bei Ihnen ausgelöst?
Unser Sektor bewegt sich wie jeder andere in einer Welt im Wandel, in der ein neues Gleichgewicht gefunden werden muss. Wir fördern unseren sprachlichen Reichtum und unter­stützen unsere Minderheiten, um den gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhalt zu stärken. Die Einheit in der Vielfalt erfordert das Engagement sowohl jeder einzelnen Person als auch der Gesellschaft. Dieses Engagement begünstigt die Ausübung der Minderheitenrechte, wobei uns bewusst ist, dass wir uns auch mit dem Englischen auseinandersetzen müssen.

 

SRF Beitrag: «Vier Sprachen oder Englisch für alle?»:
srf.ch

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